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Wissenschaft Vulkan vor Ausbruch

Bringt Katla bald das nächste Aschechaos aus Island?

Unter Katlas Gletscher hat es begonnen zu brodeln. Experten befürchten, dass der isländische Vulkan bald ausbrechen wird Unter Katlas Gletscher hat es begonnen zu brodeln. Experten befürchten, dass der isländische Vulkan bald ausbrechen wird
Unter Katlas Gletscher hat es begonnen zu brodeln. Experten befürchten, dass der isländische Vulkan bald ausbrechen wird
Mit Katla könnte bald einer der gefährlichsten Vulkane der Insel ausbrechen. Bereits 2010 führte ein Ausbruch auf Island zu hektisch verhängten Flugverboten. Wie gut ist man dieses Mal vorbereitet?

Es fing im Juni an. Der Boden um Katla begann zu beben. Die rings um den Vulkan verteilten Messgeräte registrierten Erschütterungen. Wanderer spürten noch in 25 Kilometer Entfernung die Stöße. Und es wurden mehr. In den folgenden Monaten erfassten Forscher über hundert dieser Bebenschwärme. Der letzte liegt nur gut eine Woche zurück. Selbst erfahrene Vulkanologen wie Páll Einarsson verunsichert das. Die Lage ist unklar. Einarsson sagt: „Wir wissen nicht, was Katla vorhat.“

Katla ist ein Vulkan an der Südküste Islands. Von außen wirkt er harmlos, völlig unauffällig. Ein bis zu 600 Meter dicker Gletscher füllt den Krater des Vulkans komplett aus. Wenn sich die Wolkenschleier um den Gipfel lichten, bekommt man nicht mehr zu sehen als seinen Deckel aus Eis.

Doch unter dem Deckel hat es begonnen zu brodeln. Das Ungetüm auf Island bereitet den Forschern der Insel derzeit mehr Kopfzerbrechen als jeder andere der etwa dreißig aktiven Vulkane dort. Sie befürchten, Katla könnte Europa bald in ein ähnliches Chaos stürzen wie 2010 der Vulkan Eyjafjallajökull. Dessen Asche legte den Flugverkehr des Kontinents fast eine Woche lang lahm. Katlas Brodeln weckt nun finstere Erinnerungen.

Replica of an old traditional Icelandic house from the 1800 with eruption in Eyjafjallaj?kull.
Ausbruch des Eyjafjallajükull auf Island. Dessen Asche legte 2010 Europas Flugverkehr lahm.
Quelle: Getty Images

Noch aber schlummert die Gefahr in der Tiefe. Irgendwo rund fünf Kilometer unter der Oberfläche muss sich die Magmakammer befinden, gefüllt mit einer flüssigen Gesteinsschmelze. Kleine Erdbeben oder emporsteigende Hitze sind die Vorboten, wenn dort die Aktivität zunimmt. Ein Vulkanausbruch kann sich so andeuten.

Der Gletscher aber dämpft und verfälscht die Signale, die das Magma nach oben sendet. Wenn der Eisdeckel am Ende des Sommers für seine Verhältnisse besonders warm wird, können sich Risse bilden und schwache Erdbeben verursachen. Vulkanologen schaffen es kaum, diese Erschütterungen von denen aus dem Magmareservoir zu unterscheiden.

Flugwarnung für Island Ende September

Ende September waren sich die Forscher jedoch sicher. Die Zeichen waren eindeutig. In der Tiefe des Vulkans musste sich Magma bewegen. Islands Wetterdienst gab daraufhin eine Warnung für den Flugverkehr heraus. Die Angst vor der Asche war zurück.

Wie groß die Gefahr ist, wenn Katla ausbrechen sollte, lässt sich nur schwer abschätzen. Die Bauern auf den wenigen Höfen in der Nähe müssten ihr Vieh in Sicherheit bringen. An der Küste könnte das Schmelzwasser des Gletschers einige Dörfer überschwemmen und Straßen und Brücken bedrohen. Und die Gase aus dem Vulkan können der Gesundheit schaden, wenn man sie einatmet.

Wenn es losgeht, werden sich wohl Geschäftsleute und Urlaubsreisende auf dem weit entfernten europäischen Kontinent die größten Sorgen machen. Bei einem massiven Ausbruch und ungünstigen Windverhältnissen könnte die Asche aus dem Schlund des Berges nicht nur Island einhüllen, sondern auch wieder Richtung Europa ziehen.

Für Forscher, Politiker und Fluglinien war der Ausbruch des Eyjafjallajökull ein Weckruf. Seit 2010 arbeiten sie daran, besser zu verstehen, welche Art von Ausbrüchen am gefährlichsten ist und wie man auf eine Aschewolke reagieren sollte. Nun steht die erste Prüfung vielleicht kurz bevor.

Vulkanausbruch verursacht Sperrung des Luftraums

Erneut bricht in Island ein Vulkan aus. Der Grimsvötn spuckt eine riesige Wolke mit Rauch und Asche in die Atmosphäre und verursacht eine Sperrung des Luftraums in einem Umkreis von 220 Kilometern.

Quelle: Reuters

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„Islands Vulkane waren schon immer gefährlich“, sagt Páll Einarsson. „Sie können die ganze nördliche Hemisphäre beeinflussen.“ Der große, schlanke Geophysiker mit dem ergrauten Bart verbringt die Zeit lieber „im Feld“ als in seinem winzigen Büro. Einarsson betreibt die seismischen Messgeräte, die rund um Katlas Vulkankegel aufgestellt sind. Ihn wundert bis heute, wie überrascht die anderen Europäer auf den Ausbruch des Eyjafjallajökull reagiert haben.

Wer wie Einarsson die Geschichte der isländischen Vulkane kennt, wird sich kaum über die nun brodelnde Gefahr wundern. Immer wieder kam es auf der Insel zu schweren Eruptionen. Der Ausbruch des Vulkans Laki 1783 löste verheerende Hungersnöte aus. Dem Rest Europas bescherte er zumindest einen ungewöhnlich kühlen Sommer und Ernteeinbußen.

Experten haben die Vulkanasche genau untersucht

Über die letzten Jahrtausende gehörte Katla zu den aktivsten Vulkanen Islands. Der größte Ausbruch, den Menschen dort miterlebten, ereignete sich im Jahr 934. In den vergangenen 10.000 Jahren hatte weltweit kaum ein Vulkan einmal so viel Lava ausgespien wie Katla damals.

Sein letzter Ausbruch datiert auf das Jahr 1918. Dabei schmolz auch ein Teil seines Gletschereises, was die Flüsse anschwellen ließ. Sie traten über die Ufer und spülten so viel Schlick in Richtung Meer, dass die Insel wuchs und sich das Ufer um fünf Kilometer landauswärts verschob. Lava, Wassermassen, giftige Asche und Gase, die aus Katla entweichen können, sind eine direkte Bedrohung für die Isländer in der Nähe des Vulkans. Pro Jahrhundert beobachteten sie bisher immer mindestens zwei Ausbrüche. Katla ist also überfällig.

Nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull begannen Experten, die Vulkanasche und ihre Auswirkungen genau zu untersuchen. Fluglinien ließen nach 2010 überprüfen, bei welcher Konzentration die scharfkantigen Aschepartikel Flugzeugturbinen beschädigen können.

Grenzwert wurde an keinem Tag überschritten

Die britische Luftfahrtbehörde erließ bereits im selben Jahr und als erste einen Grenzwert von zwei Milligramm Vulkanasche pro Kubikmeter Luft. Mit diesem hätte es beim Ausbruch des Eyjafjallajökull kaum Flugverbote in Europa gegeben. Denn die ausgestoßene Asche verteilt sich auf einen immer größeren Raum. Mit größerer Entfernung findet sich tendenziell weniger Asche in der Luft.

In Deutschland wurde der spätere Grenzwert an keinem einzigen Tag des Ausbruchs überschritten. Wetterdienste haben außerdem ihre Modelle für den Transport der Asche verfeinert. Sie können im Fall großer Ausbrüche nun Flugkorridore freigeben, die mit weniger Asche belastet sind.

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Auf Island studierten die Geologen die Vulkane selbst. Ein EU-Forschungsprojekt hat die wichtigsten Faktoren für Vulkanausbrüche mit besonders viel Asche zusammentragen. Die ersten Ergebnisse zeigen: Der Eyjafjallajökull ist ein untypischer Vulkan. Sein Ausbruch war – gemessen an den Folgen für den Flugverkehr – erstaunlich schwach. Nur dank eines beständigen Südwinds konnte seine Asche bis nach Kontinental-Europa gelangen.

Nicht jeder Vulkanausbruch ist problematisch

Der Ausbruch des Grímsvötn in Zentralisland ein Jahr später produzierte in nur drei Tagen doppelt so viel Asche. Diese wehten die Winde aber überwiegend nach Norden und damit weg von den Flugrouten. Außerdem waren die Aschepartikel größer und fielen schneller zu Boden. Längst nicht jeder Ausbruch ist also für den Flugverkehr problematisch, wenn nur das Wetter schützend eingreift.

A plane flies over a lava eruption from a fissure near the Bardarbunga volcano in Icelands Holuhraun lava field area
Ein Flugzeug überfliegt eine Lavaeruption aus einem Riss nahe dem Bardarbunga-Vulkan auf Island.
Quelle: Getty Images/Aurora Creative

Dank der Erkenntnisse des Ausbruchs von 2010 glauben die Vulkanologen, auf künftige Eruptionen gut vorbereitet zu sein. Neue Spezialflugzeuge werden dann rund um die Aschesäule Daten sammeln und direkt an die Wetterdienste weitergeben. Wie gefährlich der Ausbruch eines besonders großen Vulkans wie Katla tatsächlich wird, wissen die Forscher dennoch erst, wenn es losgeht.

Wenn die Magmaschmelze mit Wasser aus dem Gletscher zusammentrifft, kann es heftige Explosionen mit viel Asche geben. Das Magma könnte aber ebenso gut fernab des Gletschers durch Spalten im Gestein austreten und dabei Asche hoch in die Atmosphäre schleudern. Ob das passiert, hängt auch von dessen Zusammensetzung ab.

Magma verändert sich während eines Ausbruchs

„Während jedes Ausbruchs verändert sich das Magma eines Vulkans“, erläutert Páll Einarsson. Über Jahrzehnte kann sich unmerklich der Inhalt verschiedener kleiner Magmakammern vermischen oder durch schmelzendes Gestein seine chemischen Eigenschaften wechseln. Ein Blick auf frühere Ausbrüche liefert den Forschern für künftige Eruptionen deshalb nicht mehr als Anhaltspunkte.

Neben den Messstationen für Erdbeben kann den Forschern die riesige Oberfläche des Gletschers auf dem Gipfel wertvolle Hinweise geben. An dessen Unterseite hatte die Erdwärme in den letzten Jahrzehnten immer wieder Teile des Eisdeckels geschmolzen. Diese sanken zu Hunderte Meter großen Kesseln ein, aus denen sich Rückschlüsse auf die Aktivität von Katla ziehen lassen.

„Wir haben uns an das Leben mit den Vulkanen gewöhnt“

Für die Isländer gehören die Vulkane und die Unsicherheit, die sie mit sich bringen zu ihrem Alltag. „Wir haben uns an das Leben mit ihnen gewöhnt“, sagt Páll Einarsson. Er glaubt, auf seinen Messgeräten zumindest eine knappe Stunde im Voraus erkennen zu können, wenn Gefahr droht. Dann macht sich besonders viel Magma aus der Kammer auf den Weg zur Oberfläche.

Einarsson und seine Landsleute haben einen Plan für die verschiedenen Szenarien. Sie wissen, was zu tun ist, wenn Katla ausbricht. Und auch die anderen Europäer müssen dann zeigen, was sie aus dem Aschechaos von 2010 gelernt haben.

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