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Interview mit Harry Koch "Djorkaeff gibt nicht alles"

Kaiserslauterns Abwehrrecke Harry Koch wird auf dem Betzenberg als "Fußballgott" verehrt. Mit SPIEGEL ONLINE spricht der derzeit verletzte 31-Jährige über den überraschenden Höhenflug des Bundesligazweiten und den Streit zwischen Teamchef Andreas Brehme und FCK-Star Youri Djorkaeff.
Von Andreas Kötter

SPIEGEL ONLINE:

Der 1. FCK schwimmt momentan auf einer Erfolgswelle, Sie aber müssen zuschauen. Das dürfte schmerzen.


Harry Koch: Das fällt in der Tat sehr schwer, vor allem weil ich vielleicht sogar zwölf Wochen ausfalle, wie der Arzt meint. Das hängt vom Heilungsprozess ab.

SPIEGEL ONLINE: Für die Lauterer Fans sind Sie ein "Fußball-Gott". Woher kommt diese besondere Zuneigung?


Koch: Das liegt sicher an meiner Art, Fußball zu spielen. Ich gebe immer alles, kämpfe immer bis zur letzten Minute. Das erkennen die Fans an.


SPIEGEL ONLINE: Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass nicht alle Lauterer Spieler diese Einstellung aufweisen.


Koch: Ich glaube nicht, dass man sagen kann, dass meine Mannschaftskameraden nicht bis zur letzten Minute kämpfen. Vielleicht sieht man meinem Spiel die Anstrengung einfach mehr an als beispielsweise dem Spiel eines Mario Basler. Deshalb haben die Fans bei mir eher den Eindruck, "der gibt nie auf, der zerreißt sich bis zur letzten Minute für unseren Club".


SPIEGEL ONLINE: Sie sind erst spät Bundesligaprofi geworden. Schützt das vor einer Krise, wie sie nun der junge Shootingstar Miroslav Klose erlebt?


Koch: Nein, sicher nicht. Denn nachdem ich in meinem ersten Jahr am Betzenberg unbekümmert aufgespielt und mir keinen Kopf um den ganzen Wirbel um meine Person gemacht habe, bin ich im zweiten Jahr dann auch in ein kleines Loch gefallen. Könnte ich die Zeit zurückdrehen und die Dinge beeinflussen, dann wäre ich sicher lieber früher als später Profi geworden. Wer weiß, vielleicht hätte es dann sogar einmal gereicht, um an der Nationalmannschaft zu schnuppern.


SPIEGEL ONLINE: Dafür schnuppert Ihr Verein jetzt an der Tabellenspitze. Ist der FCK so stark, oder überdeckt der augenblickliche Erfolg nur die Mängel, die viele Kritiker vor der Saison schon vor Abstiegsgefahr warnen ließen?


Koch: In der Sommerpause hat man uns schlecht geredet und wollte Dinge in die Mannschaft hineinschreiben, die einfach nicht stimmen. Wir haben uns von dem Wirbel um Youri Djorkaeff nie beeindrucken lassen und haben sehr gut trainiert. Natürlich ist jetzt nicht alles Gold, was glänzt, und wir wissen auch, dass wir uns noch weiterentwickeln müssen. Von Abstiegsgefahr aber ist intern nie die Rede gewesen. Denn wir wissen, was wir können, wenn wir unsere Leistung abrufen.


SPIEGEL ONLINE: Hat Andi Brehme durch den Wirbel um Djorkaeff in der Mannschaft an Autorität verloren?


Koch: Nein, der Trainer hat ihm und der Mannschaft sofort mitgeteilt, dass Djorkaeff zunächst nicht spielen wird, weil er zwei Wochen später aus dem Urlaub wiedergekommen ist und damit Trainingsrückstand hat. Und diesen Kurs hat Brehme dann auch durchgezogen. Wenn Djorkaeff den Anschluss geschafft hat, dann wird er sicher auch irgendwann wieder spielen. Jetzt aber muss er erst einmal das aufholen, was sich die anderen im Trainingslager schon hart erarbeitet haben.

SPIEGEL ONLINE: Es soll ein Angebot von Olympique Marseille für Djorkaeff vorliegen; wäre es ein Verlust für den FCK, wenn Djorkaeff gehen würde?


Koch: Wer gesehen hat, was er zu leisten im Stande ist, der muss auch zugeben, dass der Weggang eines solchen Spielers immer ein Verlust ist. Wenn dieser Spieler aber, aus welchen Gründen auch immer, dies nicht umsetzen kann oder gar nicht umsetzen will, dann bringt er die Mannschaft auch nicht weiter. Er muss wollen, und genau das sieht man ihm im Moment nicht an. Er gibt nicht alles, er zerreißt sich nicht. Dann hat es wohl auch keinen Sinn, wenn man solch einen Spieler unbedingt halten will.


SPIEGEL ONLINE: Wie denken Sie persönlich über Djorkaeffs Verhalten. Mario Basler etwa scheint das alles gegen den Strich zu gehen?


Koch: Ich verarbeite das für mich. Fest steht aber auch, wenn Djorkaeff hier nicht mehr spielen will, dann darf er aber auch nicht mehr erwarten, dass er bevorzugt behandelt wird, nur weil er sich Weltmeister nennen darf.


SPIEGEL ONLINE:Auch ohne Weltmeister läuft es jetzt beim FCK. Wie aber erklären Sie sich die zwei Gesichter der roten Teufel, die sich ganz deutlich beim 3:2 im letzten Bundesligaspiel in Hamburg zeigten?


Koch: Jedenfalls ist es keine Konditionsfrage, eher schon eine Frage der Psyche. Da kann der Trainer in der Halbzeitpause noch so oft predigen, dass jetzt das Spiel wieder bei null beginnt. Wenn du zur Halbzeit 3:0 führst, dann schaltest du im zweiten Abschnitt unterbewusst einen Gang runter, ob du willst oder nicht. Vielleicht sollten wir für unsere Spiele einfach beantragen, dass wir ohne Pause durchspielen können, dann würde es diesen unerklärlichen Abriss in der Leistung vielleicht nicht mehr geben.


SPIEGEL ONLINE: Was hat sich geändert im Vergleich zur Vorsaison, als den 1. FCK diese Leistungsschwankungen die Teilnahme am internationalen Geschäft gekostet haben?


Koch: Wir haben in der Abwehr auf eine Dreierkette umgestellt, und diese Umstellung hat uns sicherer gemacht. Die ganze Mannschaft spielt jetzt insgesamt disziplinierter; wenn einer seine Position im Laufe eines Spiels einmal verlässt, dann rückt sofort ein anderer auf diese Position nach, so dass kein Vakuum entstehen kann. Die Ordnung stimmt also, und so überragend, wie die Mannschaft im ersten Saisonspiel bei 1860 München gestanden hat, haben wir uns in der letzten Saison nie präsentiert.


SPIEGEL ONLINE: Schon spricht Mario Basler wieder ungeniert von der Meisterschaft


Koch: Das war typisch Mario. Das hat er wohl eher im Spaß gesagt. Wenn wir am Ende der Saison immer noch den zweiten Platz behaupten könnten, wären wir sicherlich auch zufrieden. Aber ernsthaft: Unser Ziel ist es in erster Linie, einen Platz zu erreichen, der zur Teilnahme am internationalen Geschäft berechtigt. Dann hätten wir das geschafft, was wir im letzten April leichtsinnig verschenkt haben.