Harry Koch: Wie wird man Liebling der Fans?

Im Stadion, vor dem Fernseher, vor dem Radio. Auswärts, zu Hause. Mit und ohne Fanschal. In der Bundesliga, in der Kreisliga, bei der Nationalmannschaft. Wo Fußball gespielt wird, finden sich Fans. Das Fan-Sein hat viele Facetten und Gesichter, DFB.de zeigt sie aus den unterschiedlichsten Perspektiven in einer Themenwoche bis Freitag.

Die Themenwoche bildet den Auftakt einer Fan-Serie auf DFB.de, die künftig jeden Donnerstag mit einem neuen Teil erscheint. Heute im Fokus: Publikumsliebling Harry Koch.

Harry Koch arbeitet heute erfolgreich als Gesundheitsmanager, mit einer Rückkehr in den Fußball liebäugelt er gleichwohl. Seine langen Haare sind ab. Auch der Schnurrbart. Ansonsten ist Harry Koch immer noch Harry Koch. Eine Legende in Lautern, so beliebt wie kein anderer. Zu seiner Zeit hat das ganze Stadion seinen Namen gerufen, die "Harry-Harry"-Chöre sind unvergessen. Der Verteidiger hat das 3000. Bundesligator für Kaiserslautern erzielt, auch das erste im neuen Jahrtausend. Die Fans haben ihn dafür gefeiert, geliebt haben sie ihn für etwas anderes. Über das Phänomen Fanliebling spricht Koch im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke.

DFB.de: Herr Koch, Sie müssen es wissen: Wie wird man zum Liebling der Fans?

Harry Koch: Zwischen mir und Lautern hat es einfach gleich gepasst. Ich hatte damals auch ein Angebot aus meiner Heimat Nürnberg, Interesse gab es zudem vom FC St. Pauli. Aber als ich mich dann näher mit dem FCK befasst habe, war mir schnell klar, dass ich als Arbeiter, als Kämpfer gut auf den Betzenberg passen würde. Für mich war die Konstellation auch deswegen günstig, weil Trainer Friedel Rausch mir von Beginn an das Vertrauen gegeben hat. Ich war sofort Stammspieler und habe das gemacht, was ich kann: ehrliche Arbeit abliefern, von der ersten bis zur letzten Minute. Das kam gut an bei den Fans in der Pfalz. Und daraus ist nach und nach eine sehr enge Verbindung gewachsen.

DFB.de: Sie waren aber nicht der einzige, der damals in Lautern ehrliche Arbeit abgeliefert hat. Und doch war niemand so beliebt wie Sie. Irgendetwas müssen Sie gehabt haben, was über das Rennen und Kämpfen hinausgeht.

Koch: Das stimmt schon, aber was genau das war, kann auch ich nicht so richtig sagen. Es hat bestimmt eine Rolle gespielt, dass ich mich immer gestellt und die Nähe zu den Fans gesucht habe. Auch wenn wir mal ein Spiel verloren hatten, habe ich mich nie versteckt und bin immer mit den Fans in Dialog getreten. Auch ansonsten habe ich mich mit meiner Familie nie abgeschirmt. Wir sind in Kaiserslautern wie jeder andere auch durch die Stadt gebummelt, sind Kaffee trinken gegangen. Dabei war ich für die Fans immer ansprechbar. Ich kann mir vorstellen, dass sie dies als etwas Besonderes empfunden haben. Ich habe ihnen immer gerne zugehört und mich mit ihnen ausgetauscht. Wir waren auch oft zu Fanveranstaltungen geladen, ich habe das nie als Pflicht empfunden. Mir hat es Spaß gemacht, mit den Menschen zu kommunizieren, die uns am Wochenende im Stadion unterstützen.

DFB.de: Waren Sie eigentlich erst in Kaiserlautern Liebling der Fans? Oder hatten Sie auch schon zuvor in Vestenbergsgreuth Kultstatus gehabt?

Koch: Es war vorher auch schon so, dass die Fans mich gemocht haben. Aber extrem wurde es dann auf dem Betzenberg. Diese "Harry-Harry"-Rufe von der ganzen Westkurve, das gab es erst in Lautern.

DFB.de: Eine Erklärung ist also, dass der Spielertyp zum Menschenschlag der Region und der Fans passen muss. Hätte Harry Koch also als Spieler von Real Madrid nicht Fanliebling werden können?

Koch: Das weiß ich gar nicht. Es gab ja auch in anderen Vereinen - bei Bayern, bei Schalke und Dortmund - Publikumslieblinge, die nicht unbedingt die herausragenden Techniker waren. Und ich glaube, dass es bestimmt auch in Madrid Fans gibt, die ehrliche Arbeit zu schätzen wissen. Die Menschen in Lautern konnten sich mit mir und meiner Art identifizieren, das schließt aber nicht aus, dass es nicht woanders ähnlich hätte sein können.

DFB.de: Die Fans in Lautern haben Sie geliebt. Aber auch bei den Fans der Gegner standen Sie hoch im Kurs. Wie erklären Sie sich dies?

Koch: Das stimmt, das war so. Ich glaube, dass dies ähnliche Ursachen hat. Auch die Fans der Gegner haben gemerkt, dass ich kein Showman bin, das ich nicht für die Galerie spiele. Ich war immer knallhart - aber nie unfair. Ich habe wenig Fouls benötigt und schon gar nicht verdeckt irgendwelche fiesen Aktionen gemacht. Fans haben ein feines Gespür für so etwas. Die Fans unsere Gegner haben mich vielleicht nicht gefeiert, aber sie hatten immer Respekt für das, was ich auf den Feld geleistet habe.

DFB.de: In Ihrer Rolle als Fanliebling hatten Sie eine exponierte Stellung auch innerhalb des Teams. Gab es Mitspieler, die neidisch auf Sie reagiert haben?

Koch: Nein, das nicht. Schon gar nicht in der Zeit, als es für uns sportlich herausragend lief. In meinem ersten Jahr sind wir zwar gleich abgestiegen, aber danach ging es fast nur noch bergauf. Wir wurden als Aufsteiger gleich Deutscher Meister, haben in der Folge fast immer international gespielt. Hinzu kam der DFB-Pokalsieg 1997. Es war einfach eine sehr gute Zeit. Außerdem gab es noch andere Spieler, die bei den Fans hoch im Kurs standen: Olaf Marschall beispielsweise, aber nicht nur er. Unter den Spielern war Neid wirklich kein Thema.

DFB.de: Hat aus Ihrem Status auch eine besondere Verantwortung resultiert? Waren besonders Sie gefragt, wenn es darum ging, nach Niederlagen die Gemüter auf der Tribüne zu beruhigen?

Koch: Schon, aber das gehört dann dazu. Für mich war es selbstverständlich, mich vor die Mannschaft zu stellen. Das war nicht leicht, insbesondere nicht in der Saison, in der wir abgestiegen sind. Aber es wäre nicht anständig, sich in guten Zeiten von den Fans feiern zu lassen und ihre Nähe zu suchen - und sich dann wegzuducken, wenn die Zeiten schwieriger werden. In der Abstiegssaison war es ja so, dass die Fans teilweise vor den Toren waren, die Stimmung war wirklich sehr aufgeheizt. Ich wollte mich dann stellen, weil klar war, dass sie mir eher zuhören und sich eher von einem Spieler beschwichtigen lassen würden, den die Fans als einen der ihren anerkennen.

DFB.de: Welche Auswüchse hat die Zuneigung der Fans zu Harry Koch angenommen: Popstars bekommen von Ihren Fans bergeweise Geschenke - haben Sie ähnliches erlebt?

Koch: Na, dann gibt es doch einen kleinen Unterschied. (lacht) Aber ja, auch ich habe einige Geschenke von Fans bekommen. Das waren teilweise ganz liebevolle und aufwändige Dinge. Zum Beispiel einen aus Holz geschnitzten Teufel, lackiert in den Vereinsfarben und mit meinem Namen versehen. Mit einer Widmung: "Für den tollsten Fußballspieler." Die Fans waren sehr kreativ.

DFB.de: An welche Aktion der Fans erinnern Sie sich noch besonders gerne?

Koch: Ich werde die Zeit nie vergessen, nachdem wir abgestiegen waren. Die ganze Region lag in Trauer. Und eine Woche später sind wir Pokalsieger geworden. Der anschließende Auto-Korso durch Lautern war für uns alle wirklich einmalig, fantastisch und sensationell. Es war sehr bewegend, wie uns die Fans gefeiert haben. Die ganze Stimmung in der Stadt war sehr speziell. Vielleicht auch, weil dies typisch für Lautern und die Pfalz war: Wie sind abgestiegen, lagen am Boden. Und sind dann wieder aufgestanden.

DFB.de: Haben Sie die Geschenke der Fans bis heute aufgehoben?

Koch: Das Meiste habe ich zu Hause in meinem Büro stehen. Für mich sind das immer wieder schöne Erinnerungen. Ein paar Sachen habe ich auch dem Fritz-Walter-Museum in Kaiserslautern zur Verfügung gestellt.

DFB.de: Hatte Ihre Rolle als Fanliebling auch sportlich Vorteile? Beispielsweise, weil Ihre Trainer sich zweimal überlegen mussten, ob sie Harry Koch draußen lassen, um sich nicht den Unmut der Fans zuzuziehen…

Koch: Eigentlich war meine Beliebtheit bei den Fans im Verhältnis zu den Trainern und zum Verein eher ein Nachteil. Ob es nun Olaf Marschall, Mario Basler, Georg Koch oder ich waren - nicht allen im Verein hat es gepasst, dass wir so gut angekommen sind. Wie gesagt, von Seiten der Mitspieler gab es keinen Neid. Das gilt aber nicht für den gesamten Verein. Ich will darauf nicht näher eingehen, aber mein Abschied aus Lautern hatte auch damit zu tun, dass nicht alle Verantwortlichen gut damit umgehen konnten, dass ich so hoch in der Gunst der Fans gestanden habe.

DFB.de: Für viele Fußballer ist es nicht leicht, den Absprung zu schaffen und ihre Karriere zu beenden. Gilt dies für Sie in besonderem Maße? Wie sehr fehlen Ihnen die "Harry-Harry"-Rufe?

Koch: Die Zeit war sehr schön, ich habe sie intensiv erlebt und genossen. Nur wenige Spieler dürfen erleben, wie es ist, wenn die ganz Kurve den eigenen Namen ruft. Etwas Schöneres kann man sich kaum vorstellen. Ich bin dankbar für die vielen tollen Erfahrungen, die ich in meiner Karriere machen durfte. Und natürlich ist mir der Abschied sehr schwer gefallen. Ich weiß aber auch, dass alles seine Zeit hat.

DFB.de: Wie oft sind Sie heute noch auf dem Betzenberg? Und wie reagieren die Menschen auf Sie?

Koch: Ich verfolge mit großem Interesse, was meine Klubs machen, auch Greuther Fürth. Und hin und wieder bin ich bei Spielen vom FCK im Stadion. Wenn die Fans dann die Namen der Spieler rufen, dann kribbelt es wieder, dann kommt in mir das alte Gefühl wieder hoch. Ich werde noch erkannt, auch wenn ich in Lautern durch die Stadt gehe. Aber nicht sonderlich häufig. Viele der heutigen Fans waren zu meiner erfolgreichen Zeit ja noch gar nicht auf der Welt.

DFB.de: Sehen Sie im aktuellen Kader der Lauterer einen Spieler, der das Potenzial hat, in Ihre Fußstapfen als Publikumsliebling zu treten?

Koch: Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir momentan eine Figur, die sich zu 100 Prozent mit dem Verein identifiziert, die voran geht und die anderen mitreißt. Ich sehe in Kaiserslautern keinen Spieler, der die Mannschaft führt. Deswegen sehe ich auch keinen Fanliebling. Leider.

DFB.de: Von Uwe Seeler über Rudi Völler, Andreas "Zecke" Neuendorf und Mehmet Scholl bis hin zu Harry Koch. Stimmt der Eindruck, dass Fanlieblinge langsam ausgestorben sind? Und woran liegt das?

Koch: Es gibt schon noch Spieler, die bei den Fans sehr hoch im Kurs stehen. Wenn ich beispielsweise an Bastian Schweinsteiger bei Bayern München denke. Aber es werden weniger, das finde ich auch. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Spieler immer kürzer für einen Verein spielen. Die totale Bindung zum Verein und zu den Fans kann nicht aufkommen, wenn man nach zwei, drei Spielzeiten zum nächsten Verein zieht.

DFB.de: Sie arbeiten aktuell als Gesundheitsmanager. Können Sie sich eine Rückkehr in den Fußball vorstellen, sehen wir Harry Koch eines Tages als Trainer wieder?

Koch: Ich würde mich freuen, wenn es mit einer Rückkehr klappt. Ich kann mir gut vorstellen, als Trainer zu arbeiten. Gerade die Tätigkeit im Jugend- und Nachwuchsbereich wäre etwas, das mir liegen würde. Mir macht mein Job als Gesundheitsmanager großen Spaß, aber für die Zeit nach 2014 kann ich mich sehr gut vorstellen, wieder als Trainer zu arbeiten.

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Im Stadion, vor dem Fernseher, vor dem Radio. Auswärts, zu Hause. Mit und ohne Fanschal. In der Bundesliga, in der Kreisliga, bei der Nationalmannschaft. Wo Fußball gespielt wird, finden sich Fans. Das Fan-Sein hat viele Facetten und Gesichter, DFB.de zeigt sie aus den unterschiedlichsten Perspektiven in einer Themenwoche bis Freitag.

Die Themenwoche bildet den Auftakt einer Fan-Serie auf DFB.de, die künftig jeden Donnerstag mit einem neuen Teil erscheint. Heute im Fokus: Publikumsliebling Harry Koch.

Harry Koch arbeitet heute erfolgreich als Gesundheitsmanager, mit einer Rückkehr in den Fußball liebäugelt er gleichwohl. Seine langen Haare sind ab. Auch der Schnurrbart. Ansonsten ist Harry Koch immer noch Harry Koch. Eine Legende in Lautern, so beliebt wie kein anderer. Zu seiner Zeit hat das ganze Stadion seinen Namen gerufen, die "Harry-Harry"-Chöre sind unvergessen. Der Verteidiger hat das 3000. Bundesligator für Kaiserslautern erzielt, auch das erste im neuen Jahrtausend. Die Fans haben ihn dafür gefeiert, geliebt haben sie ihn für etwas anderes. Über das Phänomen Fanliebling spricht Koch im DFB.de-Interview mit Redakteur Steffen Lüdeke.

DFB.de: Herr Koch, Sie müssen es wissen: Wie wird man zum Liebling der Fans?

Harry Koch: Zwischen mir und Lautern hat es einfach gleich gepasst. Ich hatte damals auch ein Angebot aus meiner Heimat Nürnberg, Interesse gab es zudem vom FC St. Pauli. Aber als ich mich dann näher mit dem FCK befasst habe, war mir schnell klar, dass ich als Arbeiter, als Kämpfer gut auf den Betzenberg passen würde. Für mich war die Konstellation auch deswegen günstig, weil Trainer Friedel Rausch mir von Beginn an das Vertrauen gegeben hat. Ich war sofort Stammspieler und habe das gemacht, was ich kann: ehrliche Arbeit abliefern, von der ersten bis zur letzten Minute. Das kam gut an bei den Fans in der Pfalz. Und daraus ist nach und nach eine sehr enge Verbindung gewachsen.

DFB.de: Sie waren aber nicht der einzige, der damals in Lautern ehrliche Arbeit abgeliefert hat. Und doch war niemand so beliebt wie Sie. Irgendetwas müssen Sie gehabt haben, was über das Rennen und Kämpfen hinausgeht.

Koch: Das stimmt schon, aber was genau das war, kann auch ich nicht so richtig sagen. Es hat bestimmt eine Rolle gespielt, dass ich mich immer gestellt und die Nähe zu den Fans gesucht habe. Auch wenn wir mal ein Spiel verloren hatten, habe ich mich nie versteckt und bin immer mit den Fans in Dialog getreten. Auch ansonsten habe ich mich mit meiner Familie nie abgeschirmt. Wir sind in Kaiserslautern wie jeder andere auch durch die Stadt gebummelt, sind Kaffee trinken gegangen. Dabei war ich für die Fans immer ansprechbar. Ich kann mir vorstellen, dass sie dies als etwas Besonderes empfunden haben. Ich habe ihnen immer gerne zugehört und mich mit ihnen ausgetauscht. Wir waren auch oft zu Fanveranstaltungen geladen, ich habe das nie als Pflicht empfunden. Mir hat es Spaß gemacht, mit den Menschen zu kommunizieren, die uns am Wochenende im Stadion unterstützen.

DFB.de: Waren Sie eigentlich erst in Kaiserlautern Liebling der Fans? Oder hatten Sie auch schon zuvor in Vestenbergsgreuth Kultstatus gehabt?

Koch: Es war vorher auch schon so, dass die Fans mich gemocht haben. Aber extrem wurde es dann auf dem Betzenberg. Diese "Harry-Harry"-Rufe von der ganzen Westkurve, das gab es erst in Lautern.

DFB.de: Eine Erklärung ist also, dass der Spielertyp zum Menschenschlag der Region und der Fans passen muss. Hätte Harry Koch also als Spieler von Real Madrid nicht Fanliebling werden können?

Koch: Das weiß ich gar nicht. Es gab ja auch in anderen Vereinen - bei Bayern, bei Schalke und Dortmund - Publikumslieblinge, die nicht unbedingt die herausragenden Techniker waren. Und ich glaube, dass es bestimmt auch in Madrid Fans gibt, die ehrliche Arbeit zu schätzen wissen. Die Menschen in Lautern konnten sich mit mir und meiner Art identifizieren, das schließt aber nicht aus, dass es nicht woanders ähnlich hätte sein können.

DFB.de: Die Fans in Lautern haben Sie geliebt. Aber auch bei den Fans der Gegner standen Sie hoch im Kurs. Wie erklären Sie sich dies?

Koch: Das stimmt, das war so. Ich glaube, dass dies ähnliche Ursachen hat. Auch die Fans der Gegner haben gemerkt, dass ich kein Showman bin, das ich nicht für die Galerie spiele. Ich war immer knallhart - aber nie unfair. Ich habe wenig Fouls benötigt und schon gar nicht verdeckt irgendwelche fiesen Aktionen gemacht. Fans haben ein feines Gespür für so etwas. Die Fans unsere Gegner haben mich vielleicht nicht gefeiert, aber sie hatten immer Respekt für das, was ich auf den Feld geleistet habe.

DFB.de: In Ihrer Rolle als Fanliebling hatten Sie eine exponierte Stellung auch innerhalb des Teams. Gab es Mitspieler, die neidisch auf Sie reagiert haben?

Koch: Nein, das nicht. Schon gar nicht in der Zeit, als es für uns sportlich herausragend lief. In meinem ersten Jahr sind wir zwar gleich abgestiegen, aber danach ging es fast nur noch bergauf. Wir wurden als Aufsteiger gleich Deutscher Meister, haben in der Folge fast immer international gespielt. Hinzu kam der DFB-Pokalsieg 1997. Es war einfach eine sehr gute Zeit. Außerdem gab es noch andere Spieler, die bei den Fans hoch im Kurs standen: Olaf Marschall beispielsweise, aber nicht nur er. Unter den Spielern war Neid wirklich kein Thema.

DFB.de: Hat aus Ihrem Status auch eine besondere Verantwortung resultiert? Waren besonders Sie gefragt, wenn es darum ging, nach Niederlagen die Gemüter auf der Tribüne zu beruhigen?

Koch: Schon, aber das gehört dann dazu. Für mich war es selbstverständlich, mich vor die Mannschaft zu stellen. Das war nicht leicht, insbesondere nicht in der Saison, in der wir abgestiegen sind. Aber es wäre nicht anständig, sich in guten Zeiten von den Fans feiern zu lassen und ihre Nähe zu suchen - und sich dann wegzuducken, wenn die Zeiten schwieriger werden. In der Abstiegssaison war es ja so, dass die Fans teilweise vor den Toren waren, die Stimmung war wirklich sehr aufgeheizt. Ich wollte mich dann stellen, weil klar war, dass sie mir eher zuhören und sich eher von einem Spieler beschwichtigen lassen würden, den die Fans als einen der ihren anerkennen.

DFB.de: Welche Auswüchse hat die Zuneigung der Fans zu Harry Koch angenommen: Popstars bekommen von Ihren Fans bergeweise Geschenke - haben Sie ähnliches erlebt?

Koch: Na, dann gibt es doch einen kleinen Unterschied. (lacht) Aber ja, auch ich habe einige Geschenke von Fans bekommen. Das waren teilweise ganz liebevolle und aufwändige Dinge. Zum Beispiel einen aus Holz geschnitzten Teufel, lackiert in den Vereinsfarben und mit meinem Namen versehen. Mit einer Widmung: "Für den tollsten Fußballspieler." Die Fans waren sehr kreativ.

DFB.de: An welche Aktion der Fans erinnern Sie sich noch besonders gerne?

Koch: Ich werde die Zeit nie vergessen, nachdem wir abgestiegen waren. Die ganze Region lag in Trauer. Und eine Woche später sind wir Pokalsieger geworden. Der anschließende Auto-Korso durch Lautern war für uns alle wirklich einmalig, fantastisch und sensationell. Es war sehr bewegend, wie uns die Fans gefeiert haben. Die ganze Stimmung in der Stadt war sehr speziell. Vielleicht auch, weil dies typisch für Lautern und die Pfalz war: Wie sind abgestiegen, lagen am Boden. Und sind dann wieder aufgestanden.

DFB.de: Haben Sie die Geschenke der Fans bis heute aufgehoben?

Koch: Das Meiste habe ich zu Hause in meinem Büro stehen. Für mich sind das immer wieder schöne Erinnerungen. Ein paar Sachen habe ich auch dem Fritz-Walter-Museum in Kaiserslautern zur Verfügung gestellt.

DFB.de: Hatte Ihre Rolle als Fanliebling auch sportlich Vorteile? Beispielsweise, weil Ihre Trainer sich zweimal überlegen mussten, ob sie Harry Koch draußen lassen, um sich nicht den Unmut der Fans zuzuziehen…

Koch: Eigentlich war meine Beliebtheit bei den Fans im Verhältnis zu den Trainern und zum Verein eher ein Nachteil. Ob es nun Olaf Marschall, Mario Basler, Georg Koch oder ich waren - nicht allen im Verein hat es gepasst, dass wir so gut angekommen sind. Wie gesagt, von Seiten der Mitspieler gab es keinen Neid. Das gilt aber nicht für den gesamten Verein. Ich will darauf nicht näher eingehen, aber mein Abschied aus Lautern hatte auch damit zu tun, dass nicht alle Verantwortlichen gut damit umgehen konnten, dass ich so hoch in der Gunst der Fans gestanden habe.

DFB.de: Für viele Fußballer ist es nicht leicht, den Absprung zu schaffen und ihre Karriere zu beenden. Gilt dies für Sie in besonderem Maße? Wie sehr fehlen Ihnen die "Harry-Harry"-Rufe?

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Koch: Die Zeit war sehr schön, ich habe sie intensiv erlebt und genossen. Nur wenige Spieler dürfen erleben, wie es ist, wenn die ganz Kurve den eigenen Namen ruft. Etwas Schöneres kann man sich kaum vorstellen. Ich bin dankbar für die vielen tollen Erfahrungen, die ich in meiner Karriere machen durfte. Und natürlich ist mir der Abschied sehr schwer gefallen. Ich weiß aber auch, dass alles seine Zeit hat.

DFB.de: Wie oft sind Sie heute noch auf dem Betzenberg? Und wie reagieren die Menschen auf Sie?

Koch: Ich verfolge mit großem Interesse, was meine Klubs machen, auch Greuther Fürth. Und hin und wieder bin ich bei Spielen vom FCK im Stadion. Wenn die Fans dann die Namen der Spieler rufen, dann kribbelt es wieder, dann kommt in mir das alte Gefühl wieder hoch. Ich werde noch erkannt, auch wenn ich in Lautern durch die Stadt gehe. Aber nicht sonderlich häufig. Viele der heutigen Fans waren zu meiner erfolgreichen Zeit ja noch gar nicht auf der Welt.

DFB.de: Sehen Sie im aktuellen Kader der Lauterer einen Spieler, der das Potenzial hat, in Ihre Fußstapfen als Publikumsliebling zu treten?

Koch: Wenn ich ehrlich bin, fehlt mir momentan eine Figur, die sich zu 100 Prozent mit dem Verein identifiziert, die voran geht und die anderen mitreißt. Ich sehe in Kaiserslautern keinen Spieler, der die Mannschaft führt. Deswegen sehe ich auch keinen Fanliebling. Leider.

DFB.de: Von Uwe Seeler über Rudi Völler, Andreas "Zecke" Neuendorf und Mehmet Scholl bis hin zu Harry Koch. Stimmt der Eindruck, dass Fanlieblinge langsam ausgestorben sind? Und woran liegt das?

Koch: Es gibt schon noch Spieler, die bei den Fans sehr hoch im Kurs stehen. Wenn ich beispielsweise an Bastian Schweinsteiger bei Bayern München denke. Aber es werden weniger, das finde ich auch. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Spieler immer kürzer für einen Verein spielen. Die totale Bindung zum Verein und zu den Fans kann nicht aufkommen, wenn man nach zwei, drei Spielzeiten zum nächsten Verein zieht.

DFB.de: Sie arbeiten aktuell als Gesundheitsmanager. Können Sie sich eine Rückkehr in den Fußball vorstellen, sehen wir Harry Koch eines Tages als Trainer wieder?

Koch: Ich würde mich freuen, wenn es mit einer Rückkehr klappt. Ich kann mir gut vorstellen, als Trainer zu arbeiten. Gerade die Tätigkeit im Jugend- und Nachwuchsbereich wäre etwas, das mir liegen würde. Mir macht mein Job als Gesundheitsmanager großen Spaß, aber für die Zeit nach 2014 kann ich mich sehr gut vorstellen, wieder als Trainer zu arbeiten.